Mittwoch, 5. August 2009

Wasserstand

Das Wasser stand ihm bis zum Hals und er mitten drin. Er stand mitten im Wasser und stand gleichzeitig mit beiden Beinen auf dem Boden. Fest war dieser Boden nicht, nicht mehr. Aufgedunsen der Teppich und aufgeweicht die vorher noch so hellen Latten, die den Raum in dem er war und den Raum ein Stockwert tiefer und eine Mehrraumwohung trennten. Das Wasser stand ihm bis zum Hals.

Das Wasser stand nicht still, es blieb nicht konstant, jedenfalls nicht konstant war die Höhe seines Standes anbelangte, konstant aber in seinem Aggregatszustand. Es stand somit nicht still sondern bewegte sich vorwärts oder aufwärts, je nach Betrachtungsweise ein grosser Unterschied. Er mochte seine Betrachtungsweise nicht, denn das Wasser floss aus seiner sicht aufwärts, es stand nicht still. Nur war seine Betrachtungsweise in diesem Moment damals sehr real und somit unverrückbar. Wie gerne hätte er wohl verrückt was zu verrücken gewesen wäre. Vor allem das Wasser. Das Wasser stand ihm bis zum Hals.

Ihm waren die Hände gebuden oder besser er war selber der Binder. Das Wasser hatte nur eine passive Rolle in seiner Welt. Das Wasser hatte nur den einzigen und alleinigen Sinn zu steigen und es stieg. Das Wasser erreichte nun sein Kinn.

Ihm war unwohl ab all dem Wasser und er war nass, pitschnass. Er hatte so viel versucht, nichts unversucht gelassen, hatte Fenster geöffnet, hatte Türen hinter sich geschlossen, hat den Schlüssel sogar weggelegt, irgendwohin wo ihn keiner finden soll. Dies alles brachte keine Veränderung, das Wasser stieg weiter. Das Wasster stand ihm bis zum Hals.

Alle seine versuche es in die Knie zu zwingen blieben vergeblos, das Wasser stand immer noch seelen ruhig und schwappt nun zu den Mundwinkel. Er fing an mit den Füssen zu rudern, diese waren noch frei, diese konnte er noch bewegen und er versuchte sich vorwärts zu bewegen, vorwärts zur Tür, zur letzten Türe, bei der er noch keine Veränderung vorgenommen hatte. Mit allerletzer Kraft erreichte er den Knauf. Er holte Luft, viel Luft, und tauchte ab...Das Wasser stand ihm nun bis zum Scheitel.

Die Türe sprang auf und das Wasser ergoss sich vom Estrich ins ganze Haus über die Treppe einen Stock tiefer um dann durch Ritze, Wände und Decken auch noch das Erdgeschoss zu erreichen... dort angekommen suchte es den Weg in den tiefergelegenen Keller, um dann im steinigen Boden zu versickern.

Er sass auf dem Dachboden und atmete auf. Er war nun wieder unten angekommen. Er stand auf und lief die Treppen hinunter ins Freie, seine Freiheit.