Sonntag, 23. Februar 2014

drifting (pearl jam)

Die Wahnehmung als einsame Insel in der weiten Unendlichkeit, von dem sie umgeben waren, entstand wohl aus der unbefriedigten Sehnsucht nach dem Meer. Sie haben nie gelernt im wellenreichen und unbeständigen Atlantik zu schwimmen, kannten das Salz der Erde nur aus den Erzählungen vom Mittelmeer und mussten sich jeweils immer wieder aufs Neue anstrengen, um die ganze magische Kraft des Ozeans als eine ganz eigene, wunderbare Welt in Bildern vor ihren inneren Augen entstehen zu sehen. Sie hatten nie gelernt zu schwimmen. Und so waren sie auf ihrer eigenen Insel sicher, den festen Boden unter ihren Füssen, der zugleich ihre Heimat bedeutete.

Die Geborgenheit der Insel wurde durch klare Grenzen bestärkt. Einjeder wusste, woher er kommt, wohin er ghört und es bestand nicht die Gefahr, dass man sich irgendwo im Ungewissen verliert, wenn man sich einfach treiben liess. Denn auch das Treiben war auf die bekannte Landmasse begrenzt und auf ihr und mit ihr liess es sich gut treiben, immer mit der Sicherheit im Herzen, von ihr niemals ins kalte Wasser gestossen zu werden. Dies wäre fatal gewesen, meinten alle. Sie hatten nie gelernt zu schwimmen.

Die Insel kannte Struktur und Ordnung, sie war nicht den verschiedenen Strömen, Wesen und Launen der hohen See ausgesetzt. Zwar schlugen die Wogen jeweils hoch, übergoss sich der Wellengang zu Weilen auch ins Landesinnere, aber man hatte über die Jahre gelernt, äussere Einflüsse einzudämmen, drohende Erosion an der Enstehung zu hindern und das eigene Gesicht zu wahren. Man war sich sicher, dass das der richtige Weg war, denn mit einströmendem Wasser stieg die Gefahr, dass Sand ins Getriebe der Zeit geriet und dies galt es zu verhindern. Der Strom der Zeit machte allen Angst. Sie hatten nie gelernt zu schwimmen.

So lag die Insel weiterhin in der weiten Unendlichkeit der gemeinsamen Vorstellung und wurde mit aller Kraft bewahrt. Der Sehnsucht zum Meer entnahm man die Beruhigung der inneren Zerissenheit und der Angst vor dem Schwimmen die Bestätigung des eigenen Tuns. So hielt sich alles in einer Balance. Und mit der Insel trieb man umbemerkt vor sich hin...

... bis man nach Jahren an eine andere Insel stiess ...

nux vomica (the veils)









Mittwoch, 5. Februar 2014

forest (system of a down)

Er stellte sich auf die weite Einöde, er nahm die Schaufel und den Pickel, wo Zweiteres zwei bis drei Mal durch die Luft und pflanzte einen winzigen Baum mitten in die Welt. Er legte Schaufel und Pickel auf die Seite und setzte sich nahe daneben, alleine in die Einsamkeit. Nur eine kleine Spritzkanne leistete ihm Gesellschaft. Und an seiner anderen Seite wuchs sich der kleine Baum druch die Zeit.

Schon bald stand der Stamm stramm hochragend neben seinen Füssen. Er war bereits so massiv, dass er nicht mehr einfach schwanken neben dem Baum sitzen musste, sondern sich an ihn kuscheln konnte. Die kleinen Ästen wichen grossen Pranken. Diesen wurde das wuchtige Mark schon bald durch die kleinen grünen Blätter gezähmt und mit den schönsten Blüten in grösstem Umkreis zur Perfektion geziert. Die Tage zogen dahin, der Regen hatte schon lange die Spritzkanne als Trankspender abgelöst, die Blüten waren schon längst verflogen, die letzten lagen sanft auf der öden Weite. Es war Winter geworden. Der Baum wuchs sich durch die Jahreszeiten.

Im nächsten Frühling schlug der Baum wieder aus. Aber nicht nur die Blätter sprossen aus den Ästen, rund um den Baum herum, auf der ganzen Fläche wuchsen weitere kleine Bäume und es wurden Jahr für Jahr mehr. Und er pflegte jeden einzelnen von ihnen, gab ihnen Wasser, stutze die Äste und sass Tage sowie Nächte einfach nur da und sah ihnen beim Wachsen zu. Der Baum war über die Jahre zum Wald gewachsen.

Seine Wege durch sein grünes Universum wurden länger, er meinte zwar noch jeden Winkel zu kennen, noch jede Ecke einmal im Monat besuchen zu können, doch er hatte sich in Wirklichkeit schon lange im dichten Blätterwald verirrt. Er sah vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Und der Wald versperrte ihm die Sicht zum einzelnen Baum. Er hatte den Faden und die Zeit irgendwann im Ganzen verloren. Der Wald verschlang seine ganze Zeit.

Mit dem Wald und den vielen Bäumen kam auch das Unkraut. Efeu und anderes Gesindel rankte sich schon bald an den schönsten Pflanzengeschöpfen hoch, nahm da und dort einen Baum oder auch manchmal einem Busch den Platz oder nistete sich immer wieder aufs Neue in eine Baumkrone, um dort als Schmarotzer ein himmelgleiches Dasein zu fristen. Er nahm dieses Wildertum zur Kenntniss, er überlegte sich lange etwas dagegen zu unternehmen, das Gesindel zu verbrennen, auszustossen und wieder an den Waldrand zu drängen. Doch er entschied sich anders. Alles was in seinem Wald vor sich ging, war mit dem Wald gekommen. Zusammen bildete alles einen einzigen grossen Organismus, der wie eine einzigartige Symbiose sich immer wieder aufs neue Veränderte. Er mochte diese Veränderung, den mit dem fortschreitenden Wechsel über die Zeit wuchs auch die Geschichte. Und die Geschichte wuchs in die Zukunft.

Er stellte sich mitten in den Welt ... und er pflanzte den Baum mitten in seine Seele.