Mittwoch, 5. Dezember 2012

Haselstrauch

Es schneite draussen und überall brannten im inneren der Häuser Lichter. In die Künstlichkeit des Alltagweisslichts mischte sich auch vermehrt der helle und warme Schimmer von natürlichem Kerzenschein, wie immer, wenn es um diese Jahreszeit bereits früh dunkel wurde. Es lag eine beinahe hörbare Stille über dem Dorf und diese Stille schien sich soweit über das Land zu legen, dass das ganze Land, vielleicht sogar die ganze Welt, mit ihrer vollkommenscheinenden Schönheit zugedeckt würde. Hier stand er, mitten im Garten und war alleine.

Er war noch  nicht alt, hatte aber seine Teenagerjahre soeben hinter sich gelassen, wenn man für einen strammen Kerl, wie er einer war, überhaupt solche definieren konnte. Er war in den besten Jahren und war trotzdem alleine. Um ihn herum lag Schnee, das weisse Gold, wie er es immer nannte, in seinen Worten war aber jeweils eine Wenigkeit von Abschätzigkeit zu erkennen. Er liebte Sarkasmus. Geld bedeute ihm nichts, eine Freundin oder schon nur einen Kollegen konnte er sich davon ja sowieso nicht kaufen, das lag nicht in seiner Hand, so hilflos fühlte er sich. Und wenn sich dann doch ab und wann ein gegenüber zu ihm gesellte, ein niedliches jungen Pfläntzchen beispielsweise, so stand er jeweils nur angewurzelt stehen, er konnte nicht anders, so war er.

Er war noch nie wirklich kommunikativ gewesen, jedenfalls nicht mit Worten. Nur wenn er in voller Blüte da stand, dann konnte er mit seinem äusseren auftrumpfen. Vergeblich. Ausser verniedlichenden Worten oder kritischen Begutachtungen konnte er keinem anderen Lebewesen ein Kompliment entlocken. Er stand alleine, draussen im Schnee und wippte im Wind vor sich hin, wartend... wartend... wie er es all die Jahre schon immer gemacht hatte.

Es schneite draussen und überall brannten im inneren der Häuser Lichter. Er, alleine wie er war, streckte und reckte sich gegen das Fenster des Hauses, das ihm am nächsten stand und lugte durch das eissternbesetzte Fenster ins innere. Wie gern wäre er einer von ihnen gewesen...

Dies war das letzte Jahr seines Lebens, an dem er alleine draussen stand, im Schnee. Ein wenig mehr als ein Jahr später sollte er tod sein... gestorben an alterschwäche, aber mit einem Lächeln auf dem Gesicht. Er legte sich damals langsam nieder, auf den Wohnzimmertisch des Hauses und schlief glücklich ein.