Dienstag, 4. Januar 2011

Klarheit

Blitzblank war der See. Dies aber nicht aufgrund der vorherrschenden Windstille, die den Wasserspiegel in solchen Begebenheiten einem frisch gewachsten Parkettboden gleich zu machen scheint, es war an diesem Mittwochnachmittag viel mehr das Eis, das dem Gewässer eine Glätte gab, die so nur selten anzutreffen ist.

Auf dem Eis lag kein Schnee. Es war kein feiner Flaum auf der glatten Eisfläche zu sehen, kein Flaum, der eine solche winterliche Gewässerlandschaft in den vielen Filmen, Bildern und Geschichten sonst zu einer zarten, wintermärchengleichen Traumwelt verwandelte. Kein Flaum, den die Kinder und kindgebliebenen Erwachsenen mit ihren Schlittschuhen, die sie nur ganz selten noch aus dem Schrank, oben im hintersen Winkel des Dachbodens hervorkramten, wenns wiedermal so kalt geworden ist, dass die sehen hierzulande gefrieren.

Die Fläche war Spiegelglatt. Im Himmel schoben siche die grauen Wolken umher, prallten auf und liessen sich Ziehen. Wie gerufen von diesem Schaupspiel glitzerte durch das fahle Licht nun das strahlende und gleissende Weiss der Sonne. Sie ertrank die Traumwelt mit ihrem Schein, fühlte die schwarzen Flecken mit Sicht und machte blasse Stellen zu bleich-weissem Winterzauber. Die Sonne drückte, sie drückte und zwängte sich aber nicht nur durch die Himmelsdecke, als hätte sie mit einer gezackten Schere einen grossen Schnitt in das verwaschene Leinentuch gefressen, sie drückte mit ihrem ganzen fröhlichen Strahlen auch auf den blitzblanken See.

Tauwetter war die Folge. Tauwetter, wie früher, nach dem die kalten Winter langsam den Fühlingstemperaturen wichen, als die Sonne, wie sies zwar auch in den Wintermonaten tat, nun aber mit frühlingsgefühlen die Winterherze ewärmte und zum schmelzen brachte. Es taute nun überall, auf den Bäumen, in den Wäldern, auf den Dächern, die sich mit getossen und lauten Knarren bemerkbar machten und die Eisschicht über ihren Ziegeln in Form von grossen Eisbrocken von sich stiessen und zu Boden warfen, als wollten sie dem alt-religiösen geheiss 'Asche zu Asche, Staub zu Staub' noch ein 'Wasser zu Wasser' hinzufügen, ganz egal welchem Aggregatszustand sich die Flüssigkeit gerade zuzählte, und so taute es auch auf dem See.

Der See regte sich. Wellen enstanden vom leichten Wind, der die warmen Wintertemperaturen sanft durch die Lüfte wog und so manchen Kälteschock vergesen lies. Tauwetter wars nun, nichts ungewöhnliches für diese Zeit. Und dieses Tauwetter schuf Klarheit, oder wollte es zuminest. Es war Tauwetter im tiefwinterlichen Januar.