Montag, 23. März 2009

Nach dem Happy End...

Es sass einfach nur da. Es hatte sich auf die Schwelle am Rande des Ganzen gesetzt und sass nun da, seinen Kopf in die Arme gesenkt und wartete ab. Es war alleine, wie immer am Schluss, wenn alles sein Ende gefunden hatte, alle glücklich waren und alle es feierten. Aber genau so wild, fest und schnell wie man es zu feiern wusste, überliess man es wieder ihm selbst und vergass es schnell. So war es oft alleine, obwohl alle es kannten, viele es sich wünschten und einige so wunderschön darstellen und inszinieren konnten. Es war für die meisten ein Ende. Es wusste aber, es war keines.

Es war viel mehr ein etwas, das vergleichbar mit dem Sein zwischen Stühlen und Bänken irgendwo in Zwischenräumen von Geschichten schwebte. Einerseits beendete es einen Handlungsstrang, andererseits verband es aber dieses Ende mit einem Neuem oder erschuf sogar einen alternativen Verlauf einer Erzählung. Es war somit nicht Schluss- sondern Dreh- und Angelpunkt von vielen Geschichten, die ineinander übergingen, parallel zu einander fortliefen, einander kreuzten, ablenkten, überschnitten, um sich wieder zu verlassen und einander brauchten um überhaupt fortexistieren zu können. Mitten drin stand es also, bezeichnet als Ende, in Realität aber Mittelpunkt des Ganzen.

Es bechäftigte es oft, dass es etwas war, sogar sein musste, weil so von ihm erwartet wurde, das Glück schuf. Es durfte nie böse sein mit Ausnahme es war böse zum Bösen. Es musste Freude bringen, ausser es brachte den Menschen leid, die vorher Leid schufen und machte somit die leidenden zu freien und glücklichen Individuen. Es musste stets schön, sogar wunderbar sein, es musste glühen, es musste ausstrahlen und es musste zuvorkommend sein. Es war dazu da alles zum Guten zu wenden und diesen Auftrag erfüllte es auch mit grosser Leidenschaft. Leider war diese Wendung zum Guten nur für alle anderen, es selbst kam meistens zu kurz.

Es machte ihm zu schaffen das alle, die es erleben durften, schon bald wieder ihrem normalen Leben und Tätigkeiten nachgingen. So musste es auch sein, es wollte dies auch so, es hätte nur ein bisschen mehr Aufmerksamkeit gewollt, ein bisschen mehr Nachdenken über das was war, ist und sein wird, ein bisschen mehr davon, das geschätzt wurde, was man hatte und erlebte.

Es wollte auch für andere nicht mehr nur ein Happy End sein, sondern auch ein weiter fortlaufender Pfad in die Zukunft danach.

Sonntag, 22. März 2009

Hans im Glück

Hans stand davor, kurz davor, in Längenmassen waren es etwa 30 cm, 300 mm um in der Sprache vom Hans zu sprechen, er war ein Perfektionist und darum konnte auch eine Grösse nicht zu klein, nicht zu detailliert sein, um einer Beschreibung trotzen zu können. Er hatte den Schlüssel aus seinen Hosentaschen hervorgekramt, richtigehen suchen musste er seinen Bund, war er doch umwickelt von Allerlei, das sich über all die Jahren an denen er an seinem Ziel gebaut hat, ansammelte und seine Hosentaschen zu richtigen Rumpelkammern florieren liess. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn nach rechts, genau so, wie es sein musste. Die Tür sprang auf und er schritt über die Schwelle. Da stand er nun. Hans war im Glück.

Es war sein Verdienst, gar Gebäude, er hatte es sich selber erschaffen, hatte gebastelt und geplant, hatt skiziiert, radiert und nochmals von vorne begonnen, machte dabei manchmal zwei schritte vorwärts, um dann drei rückwärts zu schlittern und im Nachhinein eine ganz andere Richtung zu beschreiten. In seinem Kopf hatte er sich es immer ausgemahlt, in seinem Kopf wusste er genau wie es aussehen musste und zu erscheinen hatte. Hans war auch in dieser Beziehung ein Perfektionist. So hatte bereits als kleiner Junge einen Plan, einen speziellen Plan, seinen Masterplan. Hans hatte einen Plan vom Glück.

Schon in der Schule während den grösseren und kleineren Pausen, die nach seiner perfektionistischen Einstellung eigentlich auch nach Längenmassen zu bezeichnen gewäsen wären, aber er liess es beim allgemeinen Volksmund bewenden, da seine Schulkolleginnen und Kollegen sowieso nicht von etwas anderem zu überzeugen gewesen wären, sie waren ja schliesslich noch Kinder und mochten sich nicht mit solchen erwachsenen Dingen herumschlagen, während diesen Schulfreien Minuten also lernte Hans die ersten Regeln des Glücks. Im Laufe der Jahre sammelte er diese allgemeinen Konventionen und schrieb sich alles genau nieder. Mit der Zeit hatte er ein ganzes Regelwerk, ein gesellschaftliches Regelwerk des Glücks: 1. Kinder sind von Natur aus glücklich, nicht weil sie was dafür tun, sondern weil sie es aus den Augen der Erwachsenen einfach sind, 2. wenn man älter wird, ändert sich alles, auch das Glück. Es entspricht dann nicht mehr einem allgegenwärtigem Zustand sondern einem Etwas, einer Metaebene sozusagen, die es zu erstreben gilt, 3. manchen fällt das Glück einfach in den Schoss, glücklich also der oder die, die einen Rock tragen, denn das Glück kann genau so schnell wie es kam auch wieder weg sein, 4. das Glück kann erzwungen werden, aber ebenso kann man 5. auf sein Glück warten, man wird in gewissen Fällen dann von ihm gefunden, 6. das Glück birgt Geheimnisse, die niemand wirklich lösen vermag, aber auch kein Mensch lösen möchte, 7. das Glück trifft nicht jeden, 8. Glück ist individuell wandelbar und nimmt immer aufs neue Gestalt an, somit ist Glück auch nur sehr schwer fassbar. Glücklich der, dem das gelingt. 9. Das Glück wohnt nicht neben an, auch nicht oben drüber und man darf schon gar nicht darauf herumtrampeln. Das Glück ist aber trotzdem allgegenwärtig, man muss es nur sehen und 10. manchmal hat man einfach Glück und dies, da war sich Hans ganz sicher, viel mehr als man es wirklich wahrhaben möchte. Das zufällige Glück erkennt man nämlich nur dann als solches, wenn man es auch wirklich erkennen möchte, man es sich erwünscht hat.

Diese Regeln änderten das Leben von Hans. Er hatte über Jahre alles gesammelt was mit Glück verbunden wurde, hat über all die Zeit alls eingesaugt, was er sah, hörte und las, was Glück ausmache, was Glück war und was Glück hervorruft und birgt. Er hatt einge ganze Sammlung, ein Arsenal an Dingen, die andere Menschen glücklich machen. Nur er, er hatte zu diesem Zeitpunkt das Glück noch nicht gefunden, nooch nicht erhalten und auch es hatte ihn nicht entdeckt. Da beschloss Hans zu handeln und er fing an seinen Plan zu verwirklichen. Hans nahm sein Glück selbst in die Hand.

Nach wochenlangem planen und skizzieren, nach einer geraumen Zeit in der er nachdachte, ent-, um wieder zu verwerfen, nach dem Bau von kleinen und grösseren Modellen und der immer wiederkehrenden Absprache mit seinem Umfeld, war es endlich so weit. Hans machte den ersten Spatenstich und fing an sein Glück zu bauen.

Er brauchte Tage, Wochen, Monate und Jahre. Er baute die ganze Zeit und vergass sie dabei manchmal gänzlich. Er baute Tag und Nacht, er baute bei Schnee, sowie Regen, aber auch bei Hitze. Er hämmerte und nagelte, er leimte und klebte, er rangierte und ersetzte, er hobelte und strich an. Er baute und baute. Aber er war nie alleine. All die Jahre nach dem er nach dem Glück und seinen Begebenheiten gesucht hatte, kam er weit herum, in all den Jahren an denen er eine Sammlung des Glücks angelegt hatte traf er viele Menschen, die ihn in seinem Plan, das merkte er nun überdeutlich, ein Stück voran brachten, an all den Orten an denen er war, traf er immer wieder auf das Glück. Dieses Glück wurde stets von jemand anderem beherbergt. So kamen über die ganze lange Zeit viele Bekannt- und gar Freundschaften zusammen, sie sammelten sich an, sie vertieften sich und wuchsen parallel zu Hans Glücksammelsurium. Alle diese Leute begleiteten ihn nun ach bei seinem Bau, sie halfen ihm, unterstützten ihn in Tat und Wort und waren somit ein wichtiger Teil des Ganzen.

Eines Tages war der letzte Kopf des letzte Nagels getroffen, eines Tages war der Moment, auf den Hans all die Jahre gewarte und hingearbeitet hatte gekommen, Er hatte es geschafft oder genauer: erschaffen. Hans stand davor, kurz davor. Er steckte den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn nach rechts, genau so, wie es sein musste. Die Tür sprang auf und er schritt über die Schwelle, über die Schwelle zu all den anderen, die er kannte, schätzte und auch liebte. Da stand er nun. Hans war im Glück.

Sonntag, 8. März 2009

Seilziehen im Keller

5.- Franken kostete der Eintritt, in Anbetracht der eigenen Ahnungslosigkeit, was mich in den Gewölben dieses Hauses, welches ich nach Passierung der passwortüberwachten Hintertür im vorderen Hof, eigentlich erwartet, viel Geld. Jedenfalls war es damals so, heute wohl nicht anders. Ich stieg die glitschigen Stufen hinunter ins Nichts, ich hatte jedenfalls das Gefühl mich in einen Schlund hineinzubewegen und dies aus eigener Kraft und Motivation, daher nicht nur eine Irritation meiner Sinne durch den abstossenden Gestank, sondern auch eine der Betrachtung meines eigenen Selbst. Dies allein war bereits genug der geistigen Verwirrung. Ich folgte meinem Begleiter, er schien zu wissen, er schien viel zu wissen, er schien aber dieses Wissen in keinster Weise mit mir teilen zu wollen. Vielleicht aus Egoismus, vielleicht auch einfach aus dem inneren Zwang zur wollentlichen Unbeteiligkeit, ich konnte es nicht genau erschliessen in diesem Moment. Es war wohl auch nicht wichtig.

Wir waren unten an der Treppe angekommen, der Schlund hatte sich geweitet, nicht in die Breite, in die Länge, ähnlich einer Nahtoderfahrung, ich hatte in diesem Moment jedenfalls diese Assoziation, hervorgerufen wohl aus den vielen Berichten in digitalen Medien, die ich mir in gedankenlosen Stunden zu Gemühte führte. Am Ende sah ich ein Licht schimmern. Meinge Begleitung wollte mich wohl nun alleine gehen lassen, ich deutete seine Handbewegung so, die er in Richtung des Lichts machte. Ich schritt dem Gang entlang, dem Licht entgegen, spührte wie sich meine Kehle proportional zur abnehmenden Breite des realen Weges schnürte. Ich schnappte nach Luft, zog sie wiederwillig und trotz meine empfindlichen Geruchsknospen tief in mich ein und schritt durch den Durchgang ins Licht.

Ein eigenartiger Raum öffnete sich vor mir, weit ging er, hoch war er, schön ausgekleidet mit Beton, kahl zwar, doch irgendwie makellos. Ich schaute mich um. Der Raum war angefüllt mit Menschen, verschiedenen Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Ich stand mitten unter ihnen, wurde von den einen mit einem überprüfenden Blick gemustert, wohl weil ich neu war, vielleicht auch weil diese es ebenso waren und das Gefühl ihrerseits mit meinem teilten, ohne dies so genau zu wissen, andere nahmen mich wohl gar nicht war und letztere wussten genau, wussten wohl alles über mich, ihrem Blick nach zu urteilen. Ich schloss mich dem Warten der Gruppe an.

In der Mitte lag ein Seil, nicht sehr lang, aber genug lang war es, jedenfalls für den Zweck, den ich vermutete, darin zu sehen. Es lag gemittet. Eine Markierung teilte die Hälften. Ich wartete ruhig, innerlich aber angespannt. Ich wusste, jeder hier hatte sein Geheimnis, auch ich, dies schuf für mich etwas mysthisches, mit diesem Gefühl fühlte ich mich wohl. Ein paar Minuten später stand er da, er war eigentlich wohl schon länger unter uns anderen gewesen, wahrgenommen hatte ihn aber niemand, jedenfalls bewusst anders als andere, denn vorher war er Unsersgleichen und somit genau so verdächtig und gleichzeitig unverdächtig wie die wir. Er hob sich nur von uns anderen ab durch sein Wissen und er schien uns zu kennen. Er erklärte die Regeln.

Ich machte als bald die Fesstellung, dass nicht alles so war, wie ich mir das immer vorgestellt hatte, wie ich mir das ausgemalt hatte, als ich das Regelwerk zum ersten Mal in meinen Händen hielt und Paragraph für Paragraph durchlas. Im Munde von ihm klangen die Sätze anders, dehn-, gar interpretierbar und dies nicht nur in eine Richtung. Er schuf mit seinen einfachen Verknüpfungen Schlupflöcher, zeigte uns Hintertürchen und gewährte uns einen Einblick in das, was das Regelwerk zu sein schien und dessen Differenz zur Wirklichkeit. Nichts war so, wie es schien, aber es schien so, wie es eigentlich sein sollte. Ich lauschte weiter.

Es gab anscheinend verschiedene Typen unter uns Besucher. Klar war, das jeder individuel vom anderen zu unterscheiden war. So ist unsere Welt. Anders war aber, dass wir uns in vier Grosse Gruppen einteilen liessen. Einerseits waren die Zuschauer. Diese wussten nur grob um was es ging, sie erfreuten sich am Sport, hatten mit diesem Zeitvertreib auch gleich ihren Nutzen und waren damit zufrieden. Dagegen waren die Wetter eifreiger. Sie machten den Anlass eigentlich erst zu dem, was er war. Sie machten ihn zum Wettkampf, denn ohne ihre Einsätze hätte es keinen Wettkampf gegeben, ohne ihre unterschiedlichsten Spekulationen, keine Gegner. Sie waren die Essenz des ganzen, Sie waren diejenigen, die Freund von Feinden unterschied, sie waren diejenigen, die sich von den Zuschauern abgrenzten und sie waren diejenigen die bestimmten. Sie waren ihrerseits wieder unterteilt in verschiedene Kleingruppen, waren hierarchisch organisiert und im gleichen Sinne finanziert. Als letztes waren dann noch Freunde und Feinde. Die einen auf der einen Seite des Seiles, die anderen auf der anderen. Der Wettkampf begann.

Ich war ein Zieher auf der einen Seite. Bei uns war es egal, ob wir Freund oder Feind waren, wir mussten nur unsere Arbeit ausführen. Nur so funktionierte das System. Der Wettkampf zog sich hin, ich gewann manchmal, hatte aber auch Niederlagen zu beklagen. Eigentlich spielte dies für mich aber keine Rolle, ich war nur die Figur im Spiel, die Wetter der Motor und das Geld der Treibstoff, alles in dieser grauen Landschaft der zuschauenden Schaulustigen.

Meine Kräfte schwanden mit andauerndem Wettkampf. Es war ein Kräftemässen, ein Kräftemessen auf verschiedenen Ebenen und ich war ein Teil des Ganzen. Nach einigen Stunden war es vorbei. Das Geld floss zum letzten Mal, wechselte nochmals Besitzer, füllte Kassen, verschwand auf anderen. Danach verliessen wir uns wieder. Verliessen den Keller und schlichen in die eingebrochene Nacht hinaus. Jeder für sich, jeder in eine andere Richtung, jeder wieder zurück ins eigentliche Leben. Es war alles nur ein Spiel. Ein Spiel, das uns für einige Stunden ausbrechen lies, entwischen lies und uns das Gefühl einer neuen Freiheit gab. Wir spielten daher gerne, immer wieder. Wir spielten Seilziehen im Keller.