Montag, 20. April 2009

Meuterei in Büchlers Garten

"Leinen Los!" schrie der Kapitän. "Leinen sind los!" schrie sein erster Adjudant. Der Kapitän mit einem fetzen Papier auf dem Gartentisch sitzend nickte zustimmend. Der erste Adjudant war zufrieden und liess auch noch das letzte Stück der wunderbar weissen Leinen auf den frisch-grünen Rasen fallen. Der zweite Adjudant, der bisher schweigend im Sandkasten mit dem Messbecher die Wassertiefe elaborierte, stand auf und schrie:"Was befleckst du die Weissheit meiner Mutter?". Dies brachte das Fass zum überlaufen, denn gemäss der physikalischen Grundlage der Wasserverdrängung, überschwappte das Rinsal im hölzernen Eichenfass, dass die tiefen der dächlichen Wasserinne abschloss, aufgrund des Körpers des ersten Adjudanten über.

Der Kapitän, inzwischen zu schweigenden Person in der Szene degradiert, verzog die Mundwinkel, nicht weit, doch ahnte man ein Lächeln über sein Gesicht huschen. Schnell zwar, doch nicht schnell genug, dass der zweit Adjudant, noch in völliger Euphorie über die gelungene Taufe des ersten Adjudanten, mit einem lauten Klatsch das Lächlen fing und begann darauf herumzutrampeln. Der Kapitän, sonst eigentlich die Ruhe selbst, verlor ab dieser Grausamkeit der Folterung seines schadenfohen Glücks die Beherrschung, nahm den Enterhaken vom häuslichen Gasgrill und fing an auf den zweiten Adjudanten einzudreschen, bis der, rot angelaufen und dies nicht nur ab seiner Rage, die langsam in ihm emporstieg, von der Schadenfreude abliess, ihr einen letzten Tritt versetzte und mit Tränen in den Augen zum ausrangierten Weinfass lief.

Beim Fass hatte sich der erste Adjudant seinen Tauchgang erfolgreich abgeschlossen und den Schatz gehoben, der sich auf dem Grund des Fasses befand. Der Stolz und die Freude liess ihn die Boshaftigkeit, sowie das Ungerechte in der Tat des zweiten Adjudanten, vergessen. Er merkte nicht einmal, dass auch er weinerlich war, was, aus beiden Gründen, micht unverständlich gewesen wäre. Er aber, er stand da und jonglierte die Trophäe über seinem Kopf.

Der zweite Ajudant, diesen Szenen rand betretend, kümmerste das kaum. Zu tief waren seine Wunden, zu fest hatte der Kapitän seinen Enterhaken in sein, doch noch so jungens, Herz gerammt. Er verschwand durch das Gartentor.

Der erste Adjudant bemerkte das Dahinscheiden des zweiten in keinster Weise. Er war mit der, wohl durch das Wasser ledernd gewordene Kanonenkugel beschäftigt, so jedenfalls seine Vermutung. Eine Kanonenkugel in seinem gärtlichen Meer, die konnte nur ihm gehören und nur ihm. Diese Tatsache machte ihn glücklich, sehr sogar und mit dieser zweiten Tatsache konfrontierte er den Kapitän.

Dieser hatte sich inzwischen die Hände gewaschen, da er sich die Finger an der Aktion schmutzig gemacht hatte, die aus seiner Sicht einfach sein musste. Auch wenn er genau wusste, dass sein Handeln Folgen haben wird. Er wusste es von den vielen nachmittäglichen Ausflügen vorher, er wusste es zu gnau, dass die Gouvernanten der drei Hauptsitzen sich wieder zusammen schliessen, bearten und Konsequenzen ziehen werden. Mit diesen Flausen im Kopf griff er nochmals zum Enterhaken und durchstiess die Kanonenkugel. Kopflos.

Der erste Adjudant tat es dem zweiten gleich, verletzt durch die Kanonenkugel, seinen Schatz. Der Kapitän vergrub seine Tatwaffe im Sandkasten sass auf den Tisch und wartete ab. Sie werden ihn sowieso erwischen, sie erwischen ihn jedesmal. Er griff zum fetzen Papier, das immer noch auf dem Achterdeck des Gartentischs lag, liess es ein paar Mal durch die Finger gleiten und lass nochmals den Text. "Wäschefirm Sauber und Ganz; Gewinnen sie eine Kreuzfahrt in der Karibik mit ihrem Leinen Los!"

Samstag, 11. April 2009

Himbeermarmelade

Immer wenn sie unglücklich war, immer wenn es ihr schlecht ging, dann kochte sie Himbeermarmelade, um sich wieder auf den Boden der Realität zurückzuholen. An guten Tagen aber, wenn sie das Glück irgendwo gefunden hatte, dann bestrich sie eine Scheibe Brot mit ihrer selbst gekochten Himbeermarmelade und liess den süsslichen Geschmack auf der Zunge langsam, sowie genussvoll vergehen.

Eines Tages wurde sie krank, schwer krank. An diesem Tag kochte sich drei Gläser.

Einige Zeit später, die Krankheit hatte ihren Tribut gezollt, war ihr letzter Tag gekommen. Langsam, geschwächt und gezeichnet sass sie am Küchentisch. Sie blickte nochmals um sich, sie blickte nochmals in alle ihre Regale mit ihren Himbeermarmeladengläser. Sie seufzte, streckte ihre Hand aus, nahm das Messer uns strich sich ihr letztes Himbeermarmeladenbrot. Das leere Glas stellte sie an ihren Platz zwischen all die anderen, leeren Gläser. Sie lächelte und ass das letzte Stück Himbeermarmeladenbrot.

Eldorado

Es lag mitten in der Pampa, dort im Nirgendwo und doch, für sich, im hier und jetzt, im da und dort, gegenwärtig und voller Pracht. Es lag da, eingeklemmt zwichen hohen Gipfeln und auslaufend in ein weites und tiefes Tal. Es lag da, still und geheimnisvoll, mythenumwoben und doch erzählte es sich seine eigene Geschichte ganz anders, als diese überliefert worden waren, überliefert ins hier, in diese Realität.

Es lag da, es lag auf dem Rücken und sonnte sich in der brühenden Mittagshitze dieser trostlosen Gegend vor sich hin. Es fand hier Trost und mit ihm alle die es kannten, brauchten und nannten. Sie begriffen auch warum, sie wussten um das Wieso, sie liesen es auch einfach, es lag da. Es lag da auf dem Rücken mit den Augen zum Himmelsfirnament, zum dunstigen Blau bei Tag, zur goldenen Sonne im Sommer, zu den funkelnden Diamanten in der Nacht und den wunderbaren Eissternen im Winter, die auf sein Haupt niederrieselten. Das geschah selten, denn es schneite nicht mehr viel.

Es lag da, es lag einfach nur da, ohne Worte, ohne Gedanken und ohne sich auch nur im Geringsten zu bewegen, sogar ohne sich überhaupt bewegen zu wollen, es lag nur da, der Sache Willens oder weil es einfach der Wille und auch der Sinn der Sache war, dass es da lag, einfach nur, alleine, still, für sich. Es lag da, es lag da und erfüllte so seinen Zweck, es lag da und erkärte, legitimierte gar auf diese Weise seine Existenz, seine vermutliche Existenz, seinen Mythos. Es lag da vor allen Augen, ohne von jemandem je gesehen zu werden.

Es lag da, immer, die ganze Zeit bereits, es lag da als die Welt Geschichte schrieb, es lag da als die Geschichte der Welt eine neue Identität gab, mal für mal, immer wieder, egal und ohne Bedeutung für es, ob das nun epochal oder nur geringfügig war, es, es lag da und wartete ab, es war der Sinn und Zweck, auch wenn die Geschichte der Realität in die Zukunft raste, die Vergangenheit zu seinem Ich machte, jedesmal aufs Neue, von Jahr zu Jahr, Stund zu Stund und sogar in diesen Seknunden das letzte Kapitel beendete um gleich in einem parallel Strang ein neues anzuknüpfen. Alles das ging an ihm vorbei, bedeutunglos für es, das so da lag, bedeungtunsvoll aber in seiner Wirkung. Die Wirkung kam mit der Zeit, die Wirkung kam mit der Geschichte, es lag da und wirkte.

Es lag da als es tobte, naturgemäss, später von Menschenhand, um dann als Ursache in diesem Wechselspiel wieder von Neuem in Mitten Naturgewalten hinzuvegetieren. Alles das ging spurlos an ihm vorbei. Kein Zahn der Zeit schien es zu benagen, keine Erosion schien ihr etwas anmassen zu können, es, es lag da, einfach nur, und hatte so erst einen Sinn.

Es liegt wohl noch immer da, auch jetzt, in diesem Augenblick, wenn die Realität um uns herum sich wandelt, die Formen und Farben ineinander übergehen, sich vermischen, um dann in ganz neuen Kreationen wieder zurück erscheinen und so das Rad am laufen halten. Es liebt wohl noch immer da, es liegt irgendwo, es liegt als Mythos, der keiner ist.

Es liegt da, einfach so, und wirkt und überdauert so jegliche Veränderung. Hilft aber zu verändern, in dem es da liegt, immer, für jeden.

Sonntag, 5. April 2009

Nela sang

Nela sang gerne. Nela sang viel. Wenn Nela sang, dann sang Nela alte Weisen, alte Weisen von Weisen in weiten, teils wilden, Ländern. Nela wusste es zu singen, Nela wusste wie man Weisen singt, Nela sang eigentlich nicht nur, sie zauberte, bezauberte gar ihr Publikum beim akustischen Widerspiel ihrer Weisen. Nela sang. Nela sang jeweils alleine wenn sie Weisen sang, Nela sang oft, Nela sang immer dann, wenn es ihr Gemütszustand zu liess oder wenn ihre innere Unruhe sie dazu trieb zu singen... sie sang, wenn sie traurig war, sie sang, wenn ihr dazu zu Mute war, sie sang, wenn in ihr das Gefühl aufstieg, andere bräuchten sie, dann jeweils, dann sang Nela, dann sang sie, für sich, für andere, für jeden der ihr zuhören wollte, dann sang Nela Weisen. Nela sang gerne. Nela kleidete sich nicht speziell zum Singen, Nela trug trotzdem aber während dem Singen gerne weiss, Nela sang gerne in weiss, wenn sie Weisen sang, weiss gab ihr ein gutes Gefühl. Nela sang, Nela sang oft, Nelas Gesang war nur schwer aufzuhalten, war es primär, dass man Nelas Gesang auch nicht aufzuhalten brauchte, ihre Weisen waren weise und nicht von offensichtlicher oder unbewusster Gefahr, Nelas Gesang war stetig, Nelas gesang war wie Tag und Nacht, wie Vogel und Fisch, wie Berg und Tal, wie Holz und Stahl, war sanft, war hart, kurvte, um sich weder in schnurgeraden Linien zum Ende hinzubewegen, schlurfte und trödelte dahin, um im nächsten Augenblick in einem wahren Geschwindigkeitsrausch auszubrechen und an sich vorbeifegen zu lassen, was am Rande der Musi zu stehen schien, Nela riss mit ihrem Gesang jeden mit sich, Nela riss sie mit sich, Nela schloss die Zuhörer mit in ihre Musik, Nela nahm jeden mit der ihr zuhöre, Nela nahm sie mit, Nela nahm alle mit in ihre Weisen. Und niemand, niemand der sie je gehört hatte, kehrte wieder um vom Inhalt ihrer Weisen berichten zu können. Nela sang gerne.

Eines Tages, so sagt man, sang sie wieder, sang und sang ohne Unterbruch und ohne nur die kleinste Atempause einlegen zu wollen, so schien es, sie sang und sang. Nela sang eine ihrer Weisen, so sagt man, und dies zum letzten Mal. Sie hat sich während dem singen aufgemacht, während dem singen ihrer Weisen hat sie sich an diesem Tag zum ersten Mal auf Reisen begeben und sie kehre nicht mehr zurück, so sagt man. Denn, sie kam, singend, an den Fuss des hohen Berges, der das kleine Land, das die Heimat von Nela war, überragte und sie bekomm, ihre Weisen singend, den Berg. Sie setzte sich, so sagt man, auf den Gipfel, hielt inne, schwieg zum allerersten Mal an diesem Tag, holte tief Luft, zum allersten Mal an diesem Tag, um ihre allerletzte Weise mit voller Wucht in die Landschaft zu trällern... und dann wollte sie auf das Echo warten. Nela sang gerne, Nela sang Weisen und Nela hörte an diesem Tag zum ersten Mal ihre eigenen Worte.

Niemand hat Nela je wieder gesehen, aber an kalten und nebligen Wintertagen, so sagt man, wenn der Wind über die Hügel, Wälder und Täler zieht, wenn das Grau alles andere in mattes Nichts verwandelt, an solchen Tagen, so sagt man, hört man oben auf dem Gipfel, im Gesang des Windes, den Gesang von Nela, dann hört man Nela singen und Nela sang gerne, Nela sang viel und wenn Nela sang, sang sie Weisen.