Sonntag, 8. März 2009

Seilziehen im Keller

5.- Franken kostete der Eintritt, in Anbetracht der eigenen Ahnungslosigkeit, was mich in den Gewölben dieses Hauses, welches ich nach Passierung der passwortüberwachten Hintertür im vorderen Hof, eigentlich erwartet, viel Geld. Jedenfalls war es damals so, heute wohl nicht anders. Ich stieg die glitschigen Stufen hinunter ins Nichts, ich hatte jedenfalls das Gefühl mich in einen Schlund hineinzubewegen und dies aus eigener Kraft und Motivation, daher nicht nur eine Irritation meiner Sinne durch den abstossenden Gestank, sondern auch eine der Betrachtung meines eigenen Selbst. Dies allein war bereits genug der geistigen Verwirrung. Ich folgte meinem Begleiter, er schien zu wissen, er schien viel zu wissen, er schien aber dieses Wissen in keinster Weise mit mir teilen zu wollen. Vielleicht aus Egoismus, vielleicht auch einfach aus dem inneren Zwang zur wollentlichen Unbeteiligkeit, ich konnte es nicht genau erschliessen in diesem Moment. Es war wohl auch nicht wichtig.

Wir waren unten an der Treppe angekommen, der Schlund hatte sich geweitet, nicht in die Breite, in die Länge, ähnlich einer Nahtoderfahrung, ich hatte in diesem Moment jedenfalls diese Assoziation, hervorgerufen wohl aus den vielen Berichten in digitalen Medien, die ich mir in gedankenlosen Stunden zu Gemühte führte. Am Ende sah ich ein Licht schimmern. Meinge Begleitung wollte mich wohl nun alleine gehen lassen, ich deutete seine Handbewegung so, die er in Richtung des Lichts machte. Ich schritt dem Gang entlang, dem Licht entgegen, spührte wie sich meine Kehle proportional zur abnehmenden Breite des realen Weges schnürte. Ich schnappte nach Luft, zog sie wiederwillig und trotz meine empfindlichen Geruchsknospen tief in mich ein und schritt durch den Durchgang ins Licht.

Ein eigenartiger Raum öffnete sich vor mir, weit ging er, hoch war er, schön ausgekleidet mit Beton, kahl zwar, doch irgendwie makellos. Ich schaute mich um. Der Raum war angefüllt mit Menschen, verschiedenen Menschen unterschiedlichen Geschlechts. Ich stand mitten unter ihnen, wurde von den einen mit einem überprüfenden Blick gemustert, wohl weil ich neu war, vielleicht auch weil diese es ebenso waren und das Gefühl ihrerseits mit meinem teilten, ohne dies so genau zu wissen, andere nahmen mich wohl gar nicht war und letztere wussten genau, wussten wohl alles über mich, ihrem Blick nach zu urteilen. Ich schloss mich dem Warten der Gruppe an.

In der Mitte lag ein Seil, nicht sehr lang, aber genug lang war es, jedenfalls für den Zweck, den ich vermutete, darin zu sehen. Es lag gemittet. Eine Markierung teilte die Hälften. Ich wartete ruhig, innerlich aber angespannt. Ich wusste, jeder hier hatte sein Geheimnis, auch ich, dies schuf für mich etwas mysthisches, mit diesem Gefühl fühlte ich mich wohl. Ein paar Minuten später stand er da, er war eigentlich wohl schon länger unter uns anderen gewesen, wahrgenommen hatte ihn aber niemand, jedenfalls bewusst anders als andere, denn vorher war er Unsersgleichen und somit genau so verdächtig und gleichzeitig unverdächtig wie die wir. Er hob sich nur von uns anderen ab durch sein Wissen und er schien uns zu kennen. Er erklärte die Regeln.

Ich machte als bald die Fesstellung, dass nicht alles so war, wie ich mir das immer vorgestellt hatte, wie ich mir das ausgemalt hatte, als ich das Regelwerk zum ersten Mal in meinen Händen hielt und Paragraph für Paragraph durchlas. Im Munde von ihm klangen die Sätze anders, dehn-, gar interpretierbar und dies nicht nur in eine Richtung. Er schuf mit seinen einfachen Verknüpfungen Schlupflöcher, zeigte uns Hintertürchen und gewährte uns einen Einblick in das, was das Regelwerk zu sein schien und dessen Differenz zur Wirklichkeit. Nichts war so, wie es schien, aber es schien so, wie es eigentlich sein sollte. Ich lauschte weiter.

Es gab anscheinend verschiedene Typen unter uns Besucher. Klar war, das jeder individuel vom anderen zu unterscheiden war. So ist unsere Welt. Anders war aber, dass wir uns in vier Grosse Gruppen einteilen liessen. Einerseits waren die Zuschauer. Diese wussten nur grob um was es ging, sie erfreuten sich am Sport, hatten mit diesem Zeitvertreib auch gleich ihren Nutzen und waren damit zufrieden. Dagegen waren die Wetter eifreiger. Sie machten den Anlass eigentlich erst zu dem, was er war. Sie machten ihn zum Wettkampf, denn ohne ihre Einsätze hätte es keinen Wettkampf gegeben, ohne ihre unterschiedlichsten Spekulationen, keine Gegner. Sie waren die Essenz des ganzen, Sie waren diejenigen, die Freund von Feinden unterschied, sie waren diejenigen, die sich von den Zuschauern abgrenzten und sie waren diejenigen die bestimmten. Sie waren ihrerseits wieder unterteilt in verschiedene Kleingruppen, waren hierarchisch organisiert und im gleichen Sinne finanziert. Als letztes waren dann noch Freunde und Feinde. Die einen auf der einen Seite des Seiles, die anderen auf der anderen. Der Wettkampf begann.

Ich war ein Zieher auf der einen Seite. Bei uns war es egal, ob wir Freund oder Feind waren, wir mussten nur unsere Arbeit ausführen. Nur so funktionierte das System. Der Wettkampf zog sich hin, ich gewann manchmal, hatte aber auch Niederlagen zu beklagen. Eigentlich spielte dies für mich aber keine Rolle, ich war nur die Figur im Spiel, die Wetter der Motor und das Geld der Treibstoff, alles in dieser grauen Landschaft der zuschauenden Schaulustigen.

Meine Kräfte schwanden mit andauerndem Wettkampf. Es war ein Kräftemässen, ein Kräftemessen auf verschiedenen Ebenen und ich war ein Teil des Ganzen. Nach einigen Stunden war es vorbei. Das Geld floss zum letzten Mal, wechselte nochmals Besitzer, füllte Kassen, verschwand auf anderen. Danach verliessen wir uns wieder. Verliessen den Keller und schlichen in die eingebrochene Nacht hinaus. Jeder für sich, jeder in eine andere Richtung, jeder wieder zurück ins eigentliche Leben. Es war alles nur ein Spiel. Ein Spiel, das uns für einige Stunden ausbrechen lies, entwischen lies und uns das Gefühl einer neuen Freiheit gab. Wir spielten daher gerne, immer wieder. Wir spielten Seilziehen im Keller.

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