Mittwoch, 19. Mai 2010

Elises Hinterhof

Elise liebte ihren Hinterhof, sie liebte es nachts, wenn um sie herum alles ruhig war, wenn die Stadt schlief, die Lichter das einziege waren, was im leisen Wind noch flackerte, wenn alles sich der Ruhe hingab, dazusitzen, in ihrem Hinterhof und ihren Blick gegen die Wand zu werfen.

Elise liebte ihren Hinterhof, sie liebte es am Tag, wenn der höllische Lärm der Gesellschaft der Stadt durch die Ummauerung ihres Hinterhofs nur noch am Rande und dumpf in ihr Ohr drang. Sie liebte es im Schattenwurf der aufragenden Wohungen zu liegen, gegen die braunen Dächer zu starren und den Nebelschwaden der aus ihnen rausquoll zu folgen. Sie liebte es ihren Blick gegen den Himmel, in die Unendlichkeit schweifen zu lassen.

Elise liebte ihren Hinterhof, sie liebte ihn in der Sonne, wenn deren Strahlen gleissend auf den Boden des sich 3-dimensional erhebenden Recktecks prasselnden. Sie liebte das Strahlen der Umgebung, wenn die zurückgeworfenen Strahlen wieder ihre Augen erreichten und so als eine Reaktion, die mit einer Art Spiegelung gleichzusetzen war, in ihrem Gesicht hervorriefen. Langsam zuckten in solchen Momenten ihre Mundwinkel. Sie liebte es wenn die Sonne langsam ihre Bahn weit über den Hinterhof zog, wie gerne wäre sie in diesen Augenblicken mitgezogen. Sie liebte es ihren Blick gegen die Sonne zu richten und, als wär sie bereits Blind geworden, in ihr innerstes gekehrt und zurückgezogen, alles bis ins Tiefste in sich einzusaugen.

Elise liebte ihren Hinterhof, sie liebte ihn im Regen, wenn die Tropfen langsam auf seinen schlecht gepflasterten Grund prasselten, wenn aus dem verstopften Kanalsystem der Dachrinnen, die hochoben den Raum zäumten, die Wassermassen wie kleine Wasserfälle in den Hinterhof niedergingen, auf dem Boden aufprallten, um sich wiederum einige Zentimeter zurück in die Luft zu werfen, wieder auf dem Boden zu gelangen, dies zwei oder drei mal, als wäre es ein Stein, der beim Schieferspiel über die Wassoberfläche hüpfte und schliesslich im Abwasserkanal, der den Hof zentrierte langsam zu versickern. Elise liebte es ihren Blick in den Pfützen schwimmen zu lassen, bis er mit dem Wasser im Boden versank.

Elise liebte ihren Hinterhof, sie liebte es darin alleine einzuschlafen, alleine aufzuwachen, alleine zu essen, alleine ihren Gedanken nachzuhangen, alleine zu vermissen, alleine zu plangen, alleine zu warten und warten... Elise liebte es ihren Blick durch ihren Hinterhof wandern zu lassen und all die verschiedenen Facetten zu besuchen, die sich über all die Jahre aufgetürmt hatten, um dann zu einem gewissen Teil wieder in sich zusammenzusacken,immer und immer wieder.

Elise erschien eines Tages nicht mehr in ihrem Hinterhof, nie wieder. Die Jahre waren damals dahin gezogen, lange schon. Und mit ihrer plötzlichen Abwesnheit fielen auch keine Blicke mehr in den Raum. Kein schweifen, kein richten, kein schwimmen lassen und kein werfen war von da an mehr auszumachen. Und mit Elise ging auch der Hinterhof, denn ohne dass ihn jemand sah, konnte niemand genau sagen obs ihn je gegeben hatte.

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