Mittwoch, 19. März 2014

Licht (Faun)

Der Faun verfiel dem Zauber ganz plötzlich. Das keramikstarre Eis legte sich wie eine porzelanartige Hülle über die Landschaft und vergrub alles unter sich, dass diesem Druck nicht standhalten konnten. Er war schon seit Jahren durch die Länder gezogen, hatte Boote bestiegen, Granitriesen erklommen, idyllisch-grüne Täler durchzogen und wegweisende Strassen Kilometer für Kilometer in sich hineingefressen. Er war über alle diese Jahre lang rastlos glücklich gewesen und war sich sicher, dass seine Zukunft auch ein Spiegelbild von diesem Rückblick sein würde. Er war der festen Überzeugung.

Die Stille frass sich durch die Luft, als würde sie jedes Geräusch in sich einsaugen wie ein schwarzes Loch, in dem mit zunehmender Entropie alles auf rückkehrlose Weise verschwand. Der Faun stand starr auf dem nackten Weiss, als hätte sich die Kälte, dich sich über all die Zeit in seinem Herzen aufgestaut hatte aus seiner Gummizelle gelöst und würde nun durch die Blutbahnen durch seinen ganzen Körper strömen, um dann auf der Hautoberfläche für immer verdampfen. Der Faun genoss dieses Gefühl sichtlich, denn der Anblick dessen, was ihm in diesem Augenblick zu Füssen lag, malte ihm ein Lächeln ins haarige Gesicht, wie wenn sich verschiedenste Kunstformen vereint und als grosse Koalition auf sein Gesicht gestürtzt hätten, um dort ein Werk zu schaffen, das seinesgleichen kopier- und erweiterungsunfähig zu sein gewesen schien. Der Faun war tief in sich drin verzaubert.

Das Rad der Zeit, das in ihm drin unaufhörlich vorwärts tickte, ihn an und weiter trieb, geriet plötzlich ins Stocken. Die Mechanik funktionierte noch einwandfrei, aber der Programmcode hatte sich geändert. In Etwa so, als hätte sich ein unbekannter Virus, als niedliches Lebewesen getarnt, tief ihn im drin eingenistet und seine Antriebswelle, auf dessen schmalen Grad er zu surfen pflegte, geglättet. Als hätte sich ein kleines Stück des weissschimmernden Porzellan gelöst, wäre durch seine Atemwege in seine Lungen gelangt und hätte von dort das Knarren der verschiedenen Zahnreder zum verstummen gebracht, als wäre es ein kleines Stück eines Perspektivenwechsels, der angewiesen war, den Lauf des Lebens zwei Gänge zurückzuschalten. Ein Stück, dass sich anschickte der Krone einen Zacken rauszubrechen, um den Blick hinter den Prunk zu ermöglichen. Ein Stück, dass für sich beanspruchte, woanders das fehlende Teil zu einem neuen Ganzen zu sein.

Der Faun stand verzaubert in der Welt, die er so noch nie betrachtet hatte. Und als der Zauber verflogen war, ohne sich dabei gänzlich aufzulösen, fing er an alles aufs Neue zu entdecken, zu erklimmen, zu durchziehen, zu besteigen und in sich hineinzufressen. Die Räder drehten sich im Kreis, knarrten und knirschten und mahlten den Srand der Zeit durch seine innere Sanduhr. Solange bis deren oberer Raum wieder gänzliche Leere ausstrahlte.

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