Sonntag, 10. Mai 2009

Gesellschaft

Frank liebte seine Gesellschaft, er liebte es am Abend, nach einem anstrengenden Tag zurückzukehren und zu wissen, dass seine Gesellschaft zu hause, in seinen eigenen vier Wänden auf ihn wartet. Er liebte es und es gab im Sicherheit.

Frank war ursprünglich der Begründer der kleinen Gemeinschaft, so jedenfalls berichtet es der Legendenerzähler. Der Legendenerzähler war noch nicht lange Teil des Ganzen, doch war es nur von kurzer Dauer, bis er zu einem der wichtigsten Dreh- und Angelpunkte innerhalb der kleinen Welt und deren Gesellschaft wurde. Der Legendenerzähler war nun die Geschichte, das mysthische Fundament auf das sich die Gesellschaft stützte und begründete.

Frank hatte mit dem Auftauchen des Legendenerzählers seine Postion innerhalb der Gesellschaft verändert. War er vorher der unantastabare Herrscher, der Bestimmer und Lenker, der Denker und Macher, also alles, wonach er sich sehnte, so war er nun, da der Legendenerzähler in sein Leben getreten war und nicht nur in sein, in das Leben aller innerhalb dieses kleinen Universums, nur noch das, wofür der Legendenerzähler ihn über die Leute halten wollte.

War Frank noch zu Anfangszeiten alles, und nichts, je nach dem wie es ihm beliebte, so war er nun zeitlich gebunden an den Willen des Erzählers und dieser erzählte viel. Als hätte er die gesellschaftliche Bibel in 222 Bänden verfasst, als hätte er den ganzen Werdegang mitverfolgt und jedes auch nur so kleine Detail und jede nur so geringfühgige Richtungswechsel der Gesellschaft niedergeschrieben, so gab er mit jeder Legende über die kleine Welt eine neue Rolle an Frank. Und Frank erschrak, jedesmal wieder aufs Neue, wenn er die Berichte über sich und die Seinen hörte. Vieles wusste er nicht, obwohl es ihn anscheinend direkt betraf und obwohl er manchmal sogar direkt und aktiv am verschieben der Handlungsstränge beteilgit gewesen sein sollte. So jedenfalls waren die einzelnen Legenden.

Frank zog sich mit der Zeit immer mehr zurück, wagte es kaum noch in die Mitte seiner kleinen Gemeinschaft zu treten und zu sprechen, wagte es kaum noch Befehle zu erteilen und er hatte Angst davor den Anderen der Gesellschaft in die Augen zu schauen. Zu viel wusste er nun über sich, was er früher lieber nicht erkannt hätte, zu viele Legenden gab es, über ihn, über die Gesellschaft und über die Bande, die die beiden miteinander geschlossen hatten. Legenden sind immer etwas mysthisches und somit grosses, aber Legenden sind nicht immer gut, das wusste Frank in der Zwischenzeit.

Frank kauerte an seinem letzten Tag in der Gesellschaft in der hinteren Ecke seiner Welt, seiner eigenen vier Wände, die Beine angewinkelt, den Kopf zwischen den Knien verstaut und er wartete auf das Urteil. Der Legendenerzähler hatte kurz davor eine Legende zu einer Prophezeiung gemacht, hatte vorausgesagt, dass der grüne kleine Farbstift mit den Bären drauf, das kleine Ding, das als Symbiose aus Farbton und Kuscheltier die Welt von Frank farbenfroh machen sollte, die Macht besass, dem ein Ende zu setzen. "Dem", das wusste Frank nun, war er, der Begründer und ehemalige Herrscher dieser Gesellschaft. Nun war er in der hierarchischen Ordnung nur noch die Nummer zwei, hinter dem kleinen grünen Farbstift, so besagte es jedenfalls die Legende. Und die zweite Klasse, war in seiner Gesellschaft die schlechteste, den bisanhin gab es keine Klassenunterschiede, dachte Frank jedenfalls. Und es sollte auch nie wieder welche geben!

Daher packte Frank Sack und Pack, verliess sein kleines Zimmer, seine Gesellschaft und sichere Umgebung und zog in die weite Welt hinaus ohne sich auch nur nochmals umzusehen. Mit dem Abgang der zweiten Klasse rettete er seine Welt vor Klassenunterschiede und, so glaubte er jedenfalls, sich selber davor der tiefsten Klasse anzugehören. Er ging fort und war frei und glücklich. Jedenfalls in diesem Moment.

In seinem Zimmer regierte der grüne Farbstift weiter im Glauben, die macht nun alleine zu haben. So berichtete es jedenfalls der Legendenerzähler.

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