Montag, 22. Dezember 2008

Ich und mein Über-ich

Mein über-ich und ich sassen zusammen beim kaffee. also es Tee und ich Kaffee, da nach meinem über-ich kaffee verwerflich ist, sucht gefährdend, während es für mich eine Art Lebenselexier darzustellen... scheint. ein kleines übel, von denen es sehr viele gibt in unserem leben, aber von denen wir nicht lassen können, die kleinen dinge halt, dies ausmachen, die winzigen details, die uns wieder auf die beine bringen oder uns oben halten, egal was uns entgegen fliegt. mein über-ich mag aber keinen kaffe und scheut sich nicht mir immer wieder davon zu erzählen. "wieso trinken wir denn zusammen kaffee?" frag ich mein über-ich, dieses und das ist symptomatisch für eine solche Situation, antwortet nicht. eigentlich ist es mir aber klar wieso wir hier sitzen, eigentlich weiss ich es ganz genau, bis hierhin und diesen vorgang machen wir meist wöchentlich, kann ich mich meist durchsetzten. immer wieder versuche ich es, immer wieder landen wir dabei vor einer tasse kaffe, immer wieder schweigt mich, die tasse bestellt und den vortrag von meinem über-ich gelauscht, im anschluss mein über-ich aber an. ES kann eigentlich nur nörgeln, es lässt bei meinen Handlungen und Taten, bei meinen Vorhaben und Ideen keinen Stein auf dem anderen. Mein über-ich ist somit vergleichbar mit einer Abreissbirne, die immer dann die schönsten Träume zerstört, wenn sich doch endlich beginnt zu lohnen sie überhaupt geträumt zu haben. Mein über-ich ist ein Zerstörer, mein über-ich mag keinen kaffee oder besser es mag nicht wenn ich kaffee trinke.

bereits ein wenig aufgebracht, trotz der eigentlichen kenntnis der situation, sitze ich meinem über-ich gegenüber und frage mich, was das über-ich mir gegenüber wohl denkt. Meist denkt es genau das Gegenteil von dem was ich denke, ermahnt mich somit meine Gedanken nochmals zu durchleuchten... zu ÜBERdenken, nochmals zu ÜBERlegen, ob das, was ich vorhabe, auch wirklich nicht verwerflich ist. das einzige was ich im Moment aber verwerfen möchte ist das über-ich, das mir gegenüber sitzt und mich anstarrt.

Ich kenne diesen Blick, ich habe diesen Blick schon zu genüge gesehen, ich mag diesen Blick überhaupt nicht, ich VERABSCHEUHE ihn. doch hier liegt der Puddelskern genau begraben, um mich zumindest einem literarischen Zitat aus der Literaturgeschichtlichen Vergangenheit zu begnügen, um mein über-ich, das überigens sehr belesen ist, fast beinahe mehr als ich, ein wenig zu besänftigen, dies ist auch bitter nötig, denn wenn ich schlecht über den bösen Blick, der mir entgegengeworfen wird, von meinem Über-ich gegenüber von mir, wie wenn ES ein Baseballspieler wäre, der der Versuchung nicht widerstehen kann einen Homerun zu verhindern, denke, so wird der Blick nur noch böser, noch durchdringlicher, noch rauher und ermahnender. mein Über-ich hört alles, sieht alles. Mein über-ich ist überall wo ich auch bin.

Mein über-ich ist fertig mit seinem Tee, einem Grüntee, einen beruhigungstee wie ES es nennt. Es hat einen Märtyrer-Durst gestillt damit, jedenfalls in den Augen meines über-ichs, denn immer wenn ich meiner Kaffeesucht fröhne, dann macht das über-ich, auch hier, das Gegenteil. Nun, den Durst gestillt, den Kaffeeangriff erfolgreich abgewehrt, lehnt es sich in seinem Stuhl zurück und schaut mich an. Diesmal nicht strafend zwar, doch das süffisante Lächeln auf den Lippen meines über-ichs verrät mir, dass ES doch mit der Situation zufrieden sein zu scheint. Das beunruhigt mich aufs äusserste, denn immer wenn es meinem über-ich gut geht, wenn es meint es hätte eine Schlacht gewonnen, dann bin ich grundsätzlich der Leidtragende. Und mein über- ich ist äusserst ergeizig. Es kann zum wilden Tier werden, wenn es um seinen Ergeiz geht, es kann über leichen gehen, würde sogar über meine schreiten, es würde sich Sieben- Meilen- Stiefeln anziehen, wenn es so noch mehr Leichen übergehen könnte, es ist vielem und allem einfach überlegen. Mein über-ich ist über mir.

Jetzt sitzt es aber immer noch da, hat die Situation ausgekostet, hat sich genüsslich Befriedigung geholt, bei jedem Schluck den ich quälend durch meinen Gaumen fliessen liess, quälend daher, da mir min über-ich mit seinem nicht gut gemeinten Rat zu beginn des fröhlichen Kaffeetrinkens gegeben hat. Nun endlich, hab ich auch den letzten Schluck runtergewürgt, als hätte sich der Kaffee im Aggregatzustand vertan, wär gefestigt aus der Maschine, Kanne oder durch den Filter gekullert, hart wie Stein und bedornt wie eine Rose mit fieser roter Farbe (die mich überigens jedes mal an mein über-ich zu erinnern schent) und hätte sich langsam und genüsslich durch meine Speiseröhre in den Magen gekämpft um sich dort, was natürlich ganz im Sinne des Erfinders und somit meinem über-ichs gewesen wäre, aufzuplustern, wie ein Vogel, der sich auf der Balz befindet und sein Federnkleid zur schau stellen will, nur wäre es in meinem Fall kein Balzgewand, sondern eben dieser bedornte Kaffeeklumpen, der meine Magenwand dehnt und zu zersprengen droht. Mein über-ich öffnet den Mund.

Ich weiss was jetzt kommt, ich weiss was es jetzt sagen will, ich kenne seine Ermahnungen, seine Ratschläge, seine Besserwissersätze nur zu genüge, höre sie ab und wann, höre sie immer, höre sie auch dann, wenn ich eigentlich genau weiss, dass ich sie hören sollte, oder müsste, aber in diesem Momenten, und es sind doch zugegebener massen genau diese Augenblicke, an denen man doch vom über-ich genau nichts hören will, weil man sich bewusst ist, dass man die Grenze vom Guten, jedenfalls das Gute, das einem vom über-ich vorgeben wurde, bereits überschritten hat, es somit sowieso kein zurück gibt und man doch getrost weitermachen kann, weil man nicht im Moment auch noch bestraft werden will, da man sich noch voller Bewusstsein ist, und dies ist wohl in solchen Augenblicken noch das einzige Bewusstsein, was einem zu Erkennung kommen scheint, am Schluss dennoch nochmals getadelt zu werden. Aber über-ichs geniessen solche Situationen, sie zelebrieren sie, sie kosten sie aus, nicht im Moment des Geschehens, dann sind sie selber mit dem Kampf beschäftigt, denn ich angefangen habe, dann sind sie selber im Stress auszubügeln versuchen, was ich gerade im Versuch bin zu tätigen, dann sind sie meist nur auf Augenhöhe mit mir, dennoch schaffen sie es auch dann, immer wieder, den Kampf zu gewinnen.

Auch dieses mal ist dem so und ich zahle, versuche vor der hübschen Bedienung meine Bauchkrämpfe von den sieben Tassen Kaffe zu verbergen und verlasse den Laden. Auch dieses mal habe ich wieder verloren, auch dieses mal hat mein über-ich recht behalten, auch dieses mal hat es mich in die Knie gezwungen. Nächstes Mal, so sage ich mir, wird aber bestimmt alles anders...

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